Jiddische Lieder strahlen eine besondere Faszination aus. Ihr melodischer und harmonischer Reichtum fesselt vor allem, weil sie in der Lage sind, Lebensfreude und Hoffnung ebenso auszudrücken wie Trauer und Verzweiflung. Ihre Geschichte ist ihnen buchstäblich auf den Leib geschrieben: Einige dieser Lieder sind in den Ghettos von Warschau und Wilna entstanden und wurden dort gesungen – und sicherlich auch in den deutschen Konzentrationslagern, manche sind älteren Datums, verblüffen jedoch immer wieder durch die Zeitlosigkeit ihrer Texte. Die überlieferten jiddischen Lieder sind der Ausgangspunkt für die musikalische Arbeit von Ensemble DRAj, und somit erklärt sich auch der Name dieser Gruppe, abgeleitet von der jiddischen Schreibweise der Zahl drei.

Die Sängerin Manuela Weichenrieder, der Cellist Ludger Schmidt und Ralf Kaupenjohann am Akkordeon, alle in unterschiedlichen Formationen und musikalischen Genres – vom Free-Jazz bis zur Klassik – professionell tätig, bringen höchst unterschiedliche musikalische Erfahrungen in das Konzept von Ensemble DRAj ein. Auf Grundlage der originalen Melodien und der jiddischen Texte wurden alle Lieder neu arrangiert mit Raum für Improvisationen unterschiedlichster Art. Beim Lied s'dremen Fejgl's ojf di zwajgn verbindet eine Gruppenimprovisation den strengen Satz der Eckstrophen, Bluesimprovisationen kommentieren Textpassagen und vielleicht ist auch wahrnehmbar, wie die Instrumentalisten durch ihre Spielhaltung den Text scheinbar in eine andere Zeitebene entrücken können; ein Vorgang, der sich nicht beschreiben, sondern eben nur mit musikalischen Mitteln darstellen läßt. Historisches und Aktuelles werden so zu einer neuen Qualität verschmolzen ohne eine vermeintliche Authentizität vorzutäuschen. Es entsteht Musik, die eine emotionale Anteilnahme einfordert.

Auch bei diesem Konzert, bei dem das Ensemble DRAj das neue Projekt Jisrolek – Aufwachsen im Ghetto vorstellt, wird eine stringente Dramaturgie verfolgt – letztlich, weil jede Programmfolge mit jiddischer Musik auch eine historisch-politische Dimension anspricht. So halten die drei deutschen Musiker die Tradition der jiddischen Lieder auf ihre Weise lebendig: In ihren Interpretationen verbindet sich die Lebenslust der Improvisation mit jenen Gefühlen von Schuld und Trauer, die der dunkle und oft verdrängte Teil der deutschen Vergangenheit seit dem Holocaust immer wieder auslösen wird.

Die Sprache nahezu aller Lieder ist das Jiddische. Sie hat mit dem Hochdeutschen gemeinsame Wurzeln, viele Inhalte lassen sich assoziativ erschließen.



Manuela Weichenrieder (D)
(Gesang)
geb. 1974 in Monheim /Schwaben. Studium der Angewandten Theaterwissenschaften u.a. bei Heiner Göbbels; während des Studiums Gesangsunterrricht. Singt in verschiedenen Jazz- und Bossa-Formationen (Tapet, Brownin, Nana Centraal, Herr Petermann)

Ralf Kaupenjohann (D)
(Akkordeon)
geb. 1958 in Bochum, Akkordeonstudium bei Guido Wagner (Musikhochschule Dortmund). Langjährige Zusammenarbeit mit dem Baßklarinettisten und Komponisten Eckard Koltermann.

Ludger Schmidt (D)
(Violincello)
geb. 1958 in Büren/Westf., studierte Cello und beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit freier Musik.