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In einem interdisziplinären Projekt trifft Musik des späten Franz Liszt auf Lyrik von Charles Baudelaire.

Ramon Walter rezitiert Gedichte aus dem Zyklus Les fleurs du mal von Charles Baudelaire im französischen Original sowie in verschiedenen deutschen Übersetzungen (u.a. von Stefan George und Thérèse Robinson). Dazwischen erklingen späte Klavierwerke von Franz Liszt in einer Bearbeitung für Klarinette/Baßklarinette, Akkordeon und Kontrabaß von Johannes Nied, gespielt vom Trio RUGA.

Den Werken von Liszt und Baudelaire ist das permanente Kreisen um die Themen Tod und Vergänglichkeit gemeinsam, mit Trauergondel, Abschied, Trauermarsch, Trübe Wolken und Unstern sind z.B. einige der Lisztschen Werke überschrieben, die Gedichte Baudelaires tragen Titel wie Schwermut, Totentanz, Abendklänge oder Liebe zum Nichts.

Als skurrile Rarität und auch als Verbindungsglied zwischen Musik und Sprache fungierend, gelangt außerdem das so gut wie nie zu hörende Melodram Der traurige Mönch von Liszt zur Aufführung.


Charles Baudelaire
DER THYRSUS

Für Franz Liszt

Was ist ein Thyrsus? Dem moralischen und poetischen Sinne nach ist er ein priesterliches Abzeichen in der Hand der Priester und Priesterinnen, die die Göttlichkeit feiern, deren Vermittler und Diener sie sind. Aber physisch ist er nur ein Stock, ein einfacher Stock, eine Hopfenstange, ein Rebpfahl, trocken, hart und gerade. Um diesen Stock spielen und tollen in launischen Mäandern Zweige und Blumen, schlangelnd und flüchtig diese, hängend jene wie Glocken oder umgestülpte Schalen. Und ein erstaunlicher Ruhm entspringt diesem Gewirr von Linien, von zarten oder prangenden Farben. Möchte man nicht sagen, dass die gebogenen und die spiralenen Linien der geraden Linie den Hof machen und sie in stummer Bewunderung umtanzen? Möchte man nicht sagen, dass all diese zarten Knospen, all diese Kelche, all diese Ausbrüche von Gerüchen und Farben, einen mystischen Fandango um den priesterlichen Stab tanzen? Und doch! Welcher unvorsichtige Sterbliche würde zu entscheiden wagen, ob die Blumen und die Weinreben für den Stab geschaffen wurden oder ob der Stab nur ein Vorwand ist, die Schönheit der Weinreben und der Blumen zu zeigen? Der Thyrsus ist das Symbol Ihrer erstaunlichen Dualität, mächtiger und verehrter Meister, lieber Bacchant der geheimnisvollen und leidenschaftlichen Schönheit. Niemals hat eine vom unbesiegbaren Bacchus verzweifelte Nymphe ihren Thyrsus über die Häupter ihrer tollen Gefährtinnen mit so viel Kraft und Laune geschwungen, wie Sie Ihr Genie über die Herzen Ihrer Mitbrüder wehen lassen. - Der Stab ist Ihr Wille, gerade, fest und unerschütterlich; die Blumen sind das Spiel Ihrer Phantasien um Ihren Willen; es ist das geistige Element, das um das männliche seine zauberhaften Pirouetten schlägt. Gerade Linie und Arabeske, Intension und Expression, Kraft des Willens, Krümmung des Wortes, Einheit des Zieles, Verschiedenheit der Mittel, allmächtiges und unteilbares Amalgam des Genies, welch Analytiker wird den elenden Mut haben, sie zu trennen?

Lieber Liszt, hindurch die Nebel, über die Flüsse fort, über die Städte, wo die Klaviere Ihren Ruhm singen, wo die Druckerei Ihre Weisheit übersetzt, wo auch immer Sie weilen mögen, im Glanz der unendlichen Stadt oder in den Nebeln der träumerischen Länder, die Gambrinus tröstet, ob Sie Jubellieder oder Lieder unendlichen Schmerzes improvisieren, oder dem Papier tolle Gedanken anvertrauen, Sänger der ewigen Wollust und der ewigen Angst, Philosoph, Dichter und Künstler, ich grüße Sie in der Unsterblichkeit!

Deutsch von Erik-Ernst Schwabach (1898-1938)



Volker Rausenberger (D)
(Akkordeon)
geb. 1968, Studium am Konservatorium Trossingen (Jozef Bugala) und am Konservatorium Würzburg (Stefan Hussong). Ergänzende Studien bei Prof. Hugo Noth (Musikhochschule Trossingen), Joseph Macerollo (Toronto/CAN), Meisterkurse bei Prof. Ivan Koval, Prof. Mie Miki, Toshio Hosokawa. Rege Konzerttätigkeit als Kammermusiker in Österreich, Italien, Luxemburg, Tschechien, in den Niederlanden, der Schweiz. Festivals in Amsterdam, Berlin, Salzburg. Dozent bei Kursen in Deutschland und Italien. Einige Jahre Dirigent an der Universität Tübingen, mehrmals Teilnehmer an der Sommerakademie des Mozarteum (Salzburg). 1997 internationaler Preisträger beim Gaudeamus-Wettbewerb (Rotterdam). Konzerte als Mitglied des Klangkörper Schweiz im Rahmen der Expo 2000 (Hannover). Durch seine Freundschaft mit dem britischen Komponisten Alistair Zaldua, der 2003 dem Trio ein Stück widmete, enger Kontakt zur britischen Neuen Musikszene. Für Ende 2004 geplante Konzerttournee mit Uraufführungen britischer und deutscher Komponisten. Zur Zeit als Dozent an der Freiburger Musikschule und der Pädagogischen Hochschule Freiburg tätig.

Walter Ifrim (RUM)
(Klarinetten)
Walter Ifrim wurde in Rumänien geboren und studierte Klarinette an der Musikhochschule in Bukarest. Nach dem Studium war er Solo-Klarinettist im Symphonieorchester Constanta sowie an der Oper in Temeswar. Seit 1983 lebt er in Deutschland und ist als Solist und Kammermusiker im In- und Ausland tätig. Walter Ifrim ist Gründungsmitglied des Ensemble Aventure und auf zahlreichen CD-und Rundfunkaufnahmen zu hören.

Johannes Nied (D)
(Kontrabaß)
Johannes Nied studierte Kontrabaß an der Freiburger Musikhochschule bei Wolfgang Stert und besuchte Meisterkurse bei Fernando Grillo in Perugia. Er ist Mitbegründer des Ensembles Aventure und Gastmusiker beim Ensemble Modern und Klangforum Wien. Neben seiner Tätigkeit als Interpret ist Johannes Nied auch als Komponist aktiv. Werke von ihm wurden u.a. vom Pellegrini-Quartett, dem Ensemble Aventure und der Schola Heidelberg (ur)aufgeführt.

Ramon Walter (CH)
(Rezitation)
Die Stadt Biel/Bienne, am Fusse des Schweizer Juras, hat zwei Eigentümlichkeiten:

1. Ihre Bevölkerung ist zweisprachig (deutsch/französisch)
2. In einer poetischen Beschreibung des Bielersees gebrauchte Jean-Jacques Rousseau zum ersten Mal in der französischen Literatur 1777 das Wort romantique.

Der in Biel geborene Ramon Walter ist zweisprachig. Neben seiner Konzert- und Unterrichtstätigkeit als Pianist (er war Professor für Klavier und Liedinterpretation an der Freiburqer Musikhochschule, hat zur Zeit eine Gastprofessur in Tokyo inne) tritt er ebenfalls als Sprecher und Schauspieler auf. So war er der Mopsky in Arghyris Kounadis Die Baßgeige, der Baron Méduse im Film Le piège de Méduse nach Erik Satie beim Theatertreffen in Berlin, der Atti in Dieter Schnebels Vergänglichkeit an der Hamburgischen Staatsoper.